1952 gelang dem britischen Architekten und Sprachforscher Michael Ventris zusammen mit John Chadwick die Entzifferung. Es zeigte sich, dass die aufgefundenen Texte in einer frühen Form der griechischen Sprache (mykenisch-griechisch) abgefasst wurden. Dies stellte eine wissenschaftliche Sensation dar, da man bis dahin angenommen hatte, die Mykener hätten noch nicht Griechisch gesprochen, sondern Träger dieser Sprache seien erst in der Eisenzeit in Hellas eingewandert.
Die Schriftzeichen der Linearschriften mit ihren komplizierten Strukturen und kleinen Details sind für das Einritzen in Ton wenig geeignet. Man vermutet daher, dass hauptsächlich auf anderen, aber nicht sehr haltbaren Materialien wie Papyrus oder Pergament geschrieben wurde.
Schreibregeln
Da in Linear B nur einfache Silben (entweder Vokal oder Konsonant+Vokal) geschrieben werden können, spiegelt die Orthographie die Lautgestalt schlecht wider. Ein in Linear B geschriebenes griechisches Wort hat häufig mehrere mögliche Lesarten. Die Schreibung ist dagegen ziemlich eindeutig und folgt in der Mehrzahl der Fälle den folgenden Regeln:
Vokallänge wird nicht spezifiziert: Die beiden O-Vokale in KNOSOS (klassische Κνωσός) werden nicht unterschieden.
Diphthonge auf U (AU, EU) werden mit einem Silbenzeichen plus dem Vokal U geschrieben (LEU ist also re-u). Für AU am Wortanfang gibt es ein spezielles Silbenzeichen.
In Diphthongen auf I fällt das I aus (aus PHAI wird also pa; allerdings findet man gerade für das Beispielwort PHAISTOS auch irregulär die Schreibung pa-i-to Am Wortanfang kann AI wahlweise mit a oder einem speziellen Zeichen ai geschrieben werden.
Folgen auf U oder I weitere Vokale, dann fügt man einen Gleitlaut w bzw. j ein. Das gilt auch bei Diphthongen aus U oder I, obwohl das I bei letzteren gar nicht geschrieben wird (LAIO schreibt man als ra-jo, KUA ergibt ku-wa).
Doppelkonsonanten (Geminale) werden als einfache Konsonanten geschrieben (SSO wird zu so)
Konsonantencluster, deren erster Bestandteil ein Plosiv ist, werden in zwei Silben mit gleichem Vokal aufgelöst (KNO ergibt ko-no).
Cluster aus Kontinuant+Plosiv verkürzt man dagegen zu einer einfachen Silbe, indem man den Kontinuanten weglässt (STO ergibt to).
In Clustern aus zwei Kontinuanten werden grundsätzlich beide Konsonanten geschrieben (MNI wird zu mi-ni). Dazu gibt es jedoch Ausnahmen, in denen der erste Konsonant in der Schreibung ausfällt. Das ist systematisch immer der Fall, wenn der zweite Konsonant S ist, aber es gibt auch Fälle, die sich nicht mit einer einfachen Regel vorhersagen lassen.
Die Unterscheidung zwischen stimmhaften, stimmlosen und behauchten Verschlusslauten kann in der Schrift in der Regel nicht wiedergegeben werden (KA/KHA/GA werden mit ka geschrieben und PA/PHA/BA mit pa). Nur für den stimmhaften Dental D gibt es eine eigene Reihe von Silbenzeichen, so dass man DA mit da und TA/THA mit ta schreibt. Zwischen L und R wird nicht unterschieden.
Konsonanten am Wortende fallen normalerweise aus. In den eher seltenen Fällen, dass ein Wort auf -qs, -ps oder -ks endet, wird der Plosiv mit dem Vokal der vorletzten Silbe geschrieben: Im letzten Beispielwort schreibt man das wortfinale QS mit dem vorangehenden Vokal als qo.
Quelle: wikipedia