Linear B

Linearschrift B (in Abgrenzung zur älteren Linearschrift A) ist die Silbenschrift der Mykenischen Kultur Griechenlands. Sie wurde vom 15. Jahrhundert v. Chr. bis ins 12. Jahrhundert v. Chr. ausgehend von Knossós auf Kreta und dem griechischen Festland verwendet.
Bekannt sind etwa 90 Silbenzeichen, 160 Zeichen mit Wortbedeutung sowie diverse Zahlzeichen.
Funde
Bekannt wurde die Schrift 1878 durch einen Fund auf Kreta. Die Bezeichnung wurde geprägt von Sir Arthur Evans, dem Ausgräber von Knossós, und bezeichnet das Aussehen der mit einzelnen Linien in Tontäfelchen geritzten Schriftzeichen. Wegen der engen Verwandtschaft mit der Linearschrift A wurden aufgefundene Tontäfelchen und ähnliche zunächst für minoisch gehalten.
Funde von Tontäfelchen gab es vor allem auch in den Palastarchiven in Pylos, die von Carl Blegen aufgedeckt wurden. Weitere Fundstätten sind Chania (auf Kreta), Mykene, Tiryns und Theben auf dem Festland.
In den 1990er Jahren wurde eine bronzezeitliche Siedlung bei Bernstorf in Bayern entdeckt. Bei Ausgrabungsarbeiten fanden sich im Jahr 2000 auch zwei Bernsteinamulette mit je drei Zeichen einer frühen Linear-B-Schrift. Der Fund liefert einen wichtigen Beleg für die Handelswege des 15. Jahrhunderts v. Chr.
Entzifferung
1952 gelang dem britischen Architekten und Sprachforscher Michael Ventris zusammen mit John Chadwick die Entzifferung. Es zeigte sich, dass die aufgefundenen Texte in einer frühen Form der griechischen Sprache (mykenisch-griechisch) abgefasst wurden. Dies stellte eine wissenschaftliche Sensation dar, da man bis dahin angenommen hatte, die Mykener hätten noch nicht Griechisch gesprochen, sondern Träger dieser Sprache seien erst in der Eisenzeit in Hellas eingewandert.
Bei den Funden handelt es sich nicht um literarische Texte, sondern hauptsächlich um Notizen zu wirtschaftlichen und Verwaltungszwecken, die nicht zur dauerhaften Aufbewahrung bestimmt waren. Die Tontafeln blieben nur deshalb erhalten, da sie durch Brandkatastrophen zufällig gebrannt und so für lange Zeit haltbar gemacht worden sind. Daher berichten sie nur von den wirtschaftlichen Verhältnissen und der Verwaltung der letzten Monate vor der Katastrophe. Einmal im Jahr wurde eine Revision durchgeführt, bei der der Inhalt aller Tontäfelchen zusammengefasst und sehr wahrscheinlich auf vergänglichem Material festgehalten wurde.
Die Schriftzeichen der Linearschriften mit ihren komplizierten Strukturen und kleinen Details sind für das Einritzen in Ton wenig geeignet. Man vermutet daher, dass hauptsächlich auf anderen, aber nicht sehr haltbaren Materialien wie Papyrus oder Pergament geschrieben wurde.

Silbenzeichen

Schreibregeln
Da in Linear B nur einfache Silben (entweder Vokal oder Konsonant+Vokal) geschrieben werden können, spiegelt die Orthographie die Lautgestalt schlecht wider. Ein in Linear B geschriebenes griechisches Wort hat häufig mehrere mögliche Lesarten. Die Schreibung ist dagegen ziemlich eindeutig und folgt in der Mehrzahl der Fälle den folgenden Regeln:
Vokallänge wird nicht spezifiziert: Die beiden O-Vokale in KNOSOS (klassische Κνωσός) werden nicht unterschieden.
Diphthonge auf U (AU, EU) werden mit einem Silbenzeichen plus dem Vokal U geschrieben (LEU ist also re-u). Für AU am Wortanfang gibt es ein spezielles Silbenzeichen.
In Diphthongen auf I fällt das I aus (aus PHAI wird also pa; allerdings findet man gerade für das Beispielwort PHAISTOS auch irregulär die Schreibung pa-i-to Am Wortanfang kann AI wahlweise mit a oder einem speziellen Zeichen ai geschrieben werden.
Folgen auf U oder I weitere Vokale, dann fügt man einen Gleitlaut w bzw. j ein. Das gilt auch bei Diphthongen aus U oder I, obwohl das I bei letzteren gar nicht geschrieben wird (LAIO schreibt man als ra-jo, KUA ergibt ku-wa).
Doppelkonsonanten (Geminale) werden als einfache Konsonanten geschrieben (SSO wird zu so)
Konsonantencluster, deren erster Bestandteil ein Plosiv ist, werden in zwei Silben mit gleichem Vokal aufgelöst (KNO ergibt ko-no).
Cluster aus Kontinuant+Plosiv verkürzt man dagegen zu einer einfachen Silbe, indem man den Kontinuanten weglässt (STO ergibt to).

In Clustern aus zwei Kontinuanten werden grundsätzlich beide Konsonanten geschrieben (MNI wird zu mi-ni). Dazu gibt es jedoch Ausnahmen, in denen der erste Konsonant in der Schreibung ausfällt. Das ist systematisch immer der Fall, wenn der zweite Konsonant S ist, aber es gibt auch Fälle, die sich nicht mit einer einfachen Regel vorhersagen lassen.
Die Unterscheidung zwischen stimmhaften, stimmlosen und behauchten Verschlusslauten kann in der Schrift in der Regel nicht wiedergegeben werden (KA/KHA/GA werden mit ka geschrieben und PA/PHA/BA mit pa). Nur für den stimmhaften Dental D gibt es eine eigene Reihe von Silbenzeichen, so dass man DA mit da und TA/THA mit ta schreibt. Zwischen L und R wird nicht unterschieden.
Konsonanten am Wortende fallen normalerweise aus. In den eher seltenen Fällen, dass ein Wort auf -qs, -ps oder -ks endet, wird der Plosiv mit dem Vokal der vorletzten Silbe geschrieben: Im letzten Beispielwort schreibt man das wortfinale QS mit dem vorangehenden Vokal als qo.
Quelle: wikipedia

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