Der Untergang der Minoer ist bis heute rätselhaft und bietet Stoff für Spekulationen. James Baikie veröffentlichte 1910 ein Buch, in dem erstmals der Ausbruch der Vulkaninsel Thera (Santorin) für das Ende der Minoer verantwortlich gemacht wird.
James Baikie: The Sea Kings of Crete, London 1910.
Der griechische Archäologe Spyridon Marinatos griff diese Idee 1939 auf, und veröffentlichte seine Theorie, wonach der Ausbruch um das Jahr 1500 v. Chr. sämtliche minoischen Küstenstädte zerstört haben müsse.
Literatur:
Spyridon Marinatos: The Volcanic Destruction of Minoan Crete, in: Antiquity 13, 1939, S. 425-439..
Diese weitverbreitete Theorie gilt heute in aller Regel als widerlegt. Die Thera-Eruption kann den Untergang der Minoer nicht direkt herbeigeführt haben, da die Minoische Kultur auch fast hundert Jahre nach dem Ausbruch noch existierte. Die entworfenen Katastrophenszenarien, die von riesigen Tsunamis an der Nordküste Kretas sprechen, dürfen nach der Erkenntnis, dass der Ausbruch nur maximal halb so stark war wie Marinatos einst annahm, als übertrieben gelten. Nach wie vor diskutiert wird jedoch die Möglichkeit, dass die Thera-Eruption die Minoische Kultur indirekt und langfristig schädigte.
Weiter stehen als Ursachen für den Niedergang der Minoer aber andere schwere Erdbeben, der Wegfall von Absatzmärkten für kretische Produkte oder innere Unruhen zur Diskussion. Eine These stellt darauf ab, dass Thera die einzige Kykladeninsel war, die innerhalb einer Tagesreise von Kreta erreicht werden konnte. Da die Handelsschiffe der Bronzezeit nachts nicht fuhren, war Thera daher die zentrale Drehscheibe für die Verbindung zwischen Kreta und den Märkten im Norden. Die Zerstörung der Insel wirkte sich demnach indirekt auf den Handel aus. Sicher ist nur, dass schließlich achäische Herrscher den Palast in Knossos übernahmen. Dabei kommt nur eine militärische Eroberung in Betracht.
Zur Datierung des Santorin Ausbruchs:
– Der Zweig eines Olivenbaums?: derStandard.at
– Die Analyse: cherubini_plusone_2013
– Streit um eine Datierung: Wann brach der Vulkan auf Santorini aus
– Kurze Zusammenfassung des bisherigen Standes der Forschung
von Věra Klontza-Jaklová: Datierung_der_Katastrophe_von_Santorini
Literatur:
John Antonopoulos: The great Minoan eruption of Thera volcano and the ensuing tsunami in the Greek Archipelago, in: Natural Hazards 5, 1992, S. 153–168.
Floyd W. McCoy & Grant Heiken, The Late-Bronze Age explosive eruption of Thera (Santorin), Greece – Regional and local effects, in: Volcanic Hazards and Disasters in Human Antiquity, Special Paper 345 of the Geological Society of America, Boulder 2000, S. 43–70.
Jan Driessen & Colin F. MacDonald: The troubled island. Minoan Crete before and after the Santorini Eruption, Univ. de Liège, Liège 1997.
Carl Knappelt, Tim Evans, Ray Rivers: Modeling maritime interactions in the Aegean Bronze Age. In: Antiquity, Volume 82, No 318, Dezember 2008, Seiten 1009–1024, 1020
Die Frage nach dem Untergang der minoischen, die eine nicht-indogermanische Kultur war, fand zu Beginn der Forschungen deshalb großes Interesse, weil die Minoer ohne Verbindung zur späteren Kultur Griechenlands verschwunden zu sein schienen. Die durch Funde auf der Peloponnes gelungene Entzifferung der Linearschrift B bewies aber die Anwesenheit einer griechisch sprechenden Herrscherschicht in der Nachpalastzeit ebenso wie die einer nichtgriechischen in der Linear-A-Phase. Die grundlegende Kontinuität in der Kultur Kretas über den Umbruch hinweg und der Beitrag der Minoer zur Entstehung des Griechentums werden seitdem immer deutlicher. Da sich auch mythologische Hinweise auf die Geburt des Zeus auf Kreta finden, sind die mit der Entstehung dieser Religion überlieferten Unruhen vielleicht ein Teil der geschichtlichen Wahrheit.